Ein Boxenstopp auf der Zielgeraden

Ich liebe es Schubladen zu bauen! Es kommt sogar vor, dass ich für einen Schrank, der nur 4 Schubladen bekommen soll, zunächst 8 Schubladen baue, um mir dann die 4 schönsten Schubladen auszusuchen. Ja ab und zu mach ich das! Ganz schön verrückt nicht?
Dieses Vorgehen hat für mich zwei entscheidende Vorteile:

  1. Die handwerklichen Fähigkeiten bezüglich der Schubladenfertigung werden trainiert.
  2. Man kann davon ausgehen, dass man aus 8 Schubladen auch wirklich nur die Besten und Schönsten auswählt und man keine optische bzw. funktionale Kompromisse beim späteren Möbelstück eingehen muss.

Bei dem Sideboard, welches in meinem Keller kurz vor der Vollendung steht, habe ich diese Strategie mit großen Erfolg wieder angewendet.

20141004 025Hier ein Beispiel:
Welche Schublade ist schöner und passt besser? Die oben oder die unten?
Ja klar – ich habe mich auch für die Untere entschieden.

OK… ich sehe schon… nur jeder 2. Leser meines Blogs nimmt mir diesen Schwachsinn ab.

Was stimmt – ich baue wirklich gerne Schubladen. Aber nicht so exzessiv, wie oben beschrieben.

Was hab ich vermurkst?
Ich hatte die ersten Schubladen nach den Maßen des aufnehmenden Containers so gebaut, dass ich die Höhe des Containers optimal ausnütze. Laufen lassen wollte ich diese Schubladen auf Holzleisten. Die Schubladen hätte dafür eine Fräsung in den Seitenteilen erhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte dann auch alles gut funktioniert.
Das Sideboard soll als Archivschrank genutzt werden. Das bedeutet – häufige Beanspruchung und es es steht zudem im Keller (Schwankungen der Luftfeuchte!).
Das Risiko von schwer gängigen Schubladen wollte ich eliminieren. Deshalb eine neue Idee „Schubladenführungen von  BLUM“ zu verwenden.
Was ich aber beim Kauf der Schienen nicht bedacht habe, war die Tatsache, dass dieses Führungssystem Platz unter der Schublade vernichtet. Das sind gut 2,5 cm, die da geopfert werden.
Nun hatte ich die Wahl:

  • Nur noch 3 statt bisher 4 Schubladen einbauen und jede Menge Platz verschenken.
  • 3 hohe und eine kleine Schublade einbauen – was bedeutet eine Schublade um 50% in der Höhe kürzen
  • Alle Schubladen neu bauen und auf das Blum-System abstimmen.

Lange habe ich mit der 2. Variante geliebäugelt (spart es doch mindestens 2 Tage Arbeit), aber sie hätte bedeutet, dass die 4 Schubladenfronten, die in Summe die gleiche Höhe haben, wie die untere Sideboardtüre, unterschiedlich hoch gewesen wären. Bei einem frei stehenden Schreibtischcontainer wäre mir das vollkommen egal gewesen, aber im Sideboard neben den Türen, empfinde ich das als störend.
In einem wunderbaren Buch von Scott Wynn habe ich neulich gelesen…
„Mit zunehmender Erfahrung beginnt man, einen richtigen Sinn für die richtigen Werte zu gewinnen oder merkt, wenn das Zusammenspiel zwischen bestimmten Faktoren gestört ist.“
Und auch deshalb bleibe ich dabei – wie in meinem letzten Beitrag geschildert – ich kann mich nur weiterentwickeln, wenn ich solche Unschönheiten nicht toleriere. Also bleibt nur der Weg – Neu machen – auch kurz vor dem Ziel!
Ich behaupte man hat 2 Mal ein wunderbares Gefühl:
Das erste Mal, wenn man sich zu dem schmerzlichen Schritt durchgerungen und den Mehraufwand akzeptiert hat. Und das zweite Mal, wenn dann die makellosen Schubladen perfekt im Container hängen.

Und hier noch ein paar Bilder mit Erklärung zum Wie und Warum

Aber man wird ja wirklich routinierter und optimiert die Arbeitsschritte. Wie in dem nachfolgenden Bild zu sehen ist, habe ich alle 15 mm starken Bretter mit einem Arbeitsgang auf die gleiche Breite gebracht. Zusammengespannt durch den Dickenhobel spart viel Zeit und verhindert dass die dünnen bretter beim Hobeln kippen.
Die Schraubzwingen sollten nur wirklich fest sitzen, möchte man ungewollte Muster in den Hobelmessern vermeiden!

Die alten Schubladen hebe ich auf. Sie werden ein würdigen Platz in meinem Maschinenschrank bekommen, der auf meiner „Was tu ich gegen Langeweile-Liste“ steht.

20141004 039

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2 Antworten zu Ein Boxenstopp auf der Zielgeraden

  1. Frederik schreibt:

    na Volker,
    ich denke da geben wir uns nichts mit dem kritischen Blick auf unsere Arbeit…
    Bei zwei Tagen zusätzlicher Arbeit würde ich mir auch recht lange überlegen welchen Weg ich gehe. Ich kann zwar noch nicht beurteilen ob es sich gelohnt hat, habe das Objekt ja nicht vor mir, aber die Ausführung der Schubkästen ist tadellos!
    Jetzt werde ich immer neugieriger auf das fertige Möbel
    Grüsse
    Frederik

    • Volker schreibt:

      Hallo Frederik,
      noch ein wenig Geduld! So wie es aussieht verlässt morgen das gute Stück meine Werkstatt.
      Dann muss ich nur noch Lust und Laune haben einen Blogbeitrag zu schreiben. Aber ich denke bei einer Flasche Rotwein bekomm ich das am Wochenende auch noch hin.
      Grüße
      Volker

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