Der Stammplatz auf der Werkbank

20141114 001Es redet mit mir!
Nein ich bin nicht verrückt – obwohl das mein Umfeld ab und zu behauptet – na gut vielleicht ein wenig? Es redet aber wirklich mit mir.

Werkzeuge erzählen Geschichten. In der Tat nicht jedes, aber sehr viele von ihnen.
Ich nenne es Charme und Ausstrahlung.
Beides kann unglaublich anziehend sein, aber auch abstoßen.

Das erstaunliche dabei ist, dass dies nichts mit der Marke zu tun hat. Jedenfalls nicht in meiner Werkstatt, sondern eher mit dem Alter, den Gebrauchspuren und der Haptik.
Alle 3 Faktoren spielen dabei eine Rolle, die mich doch stark bei der Arbeit in der Werkstatt beeinflussen. Entweder gelingt es dem Neuzugang über die Zeit sich einen Stammplatz zu erarbeiten oder er fristet ein klägliches Dasein auf der Ersatzbank.
Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich zu einem bestimmten Stechbeitel, Schraubenzieher oder Hobel greife. Da kann es schon gut sein, dass ein neuerer oder höherwertiger Hobel daneben steht. Aber er ist noch stumm, er hat noch wenig zu berichten und muss somit noch kämpfen um den Stammplatz auf der Werkbank.

Ich kann mich erinnern, dass ich vor vielen, vielen Jahren richtig sauer war, als mir meine Tochter einen alten, abgenutzten Zollstock abgebrochen hat. Hätte sie doch lieber mit einem Neuen, damals gespielt – es war halt ein Zollstock, der echt schon viele und gute Geschichten drauf hatte. Einer halt, dem man vertraut hat.

Wesentlich besser geht es da dem Werkzeug, welches man selbst anfertigt. Es spricht schon ab der Bauphase mit mir und wenn ich seine Funktionstüchtigkeit nicht gänzlich in den Sand gesetzt habe, ist es ab Fertigstellung ein gern gesehener Begleiter auf meinem Holzweg.

Gelegentlich gelingt auch mal einem alten Werkzeug vom Flohmarkt der Neuzugang.
Vermutlich nicht der Sprung als Stammspieler auf die Werkbank, sondern eher, gut sichtbar, als Inspiration auf die Fensterbank meiner Werkstatt.
Vergangene Woche haben zwei alte englische Hobel den Weg zu mir gefunden und sie machen sich gut neben der alten Raubank, die mir ein Freund neulich hat zukommen lassen.

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5 Antworten zu Der Stammplatz auf der Werkbank

  1. Dominik schreibt:

    Servus Volker,
    schöne Hobel, die du erstanden hast! Du hast mal wieder recht :-). So gehts wohl vielen mit ihrem Werkzeug. Ich habe auch meine kleinen Favoriten im Schrank oder dem Werkzeugwagen. Zu dem gewohnten Werkzeug greift man einfach schneller. Da kann das neue und möglicherweise teurere Werkzeug noch so gut sein.
    Schönen Gruß,
    Dominik

  2. uwe.adler schreibt:

    Hallo Volker,

    wer eine besondere Afinität zum Holz hat, der kommt nicht ohne Werkzeuge aus. Werkzeuge sind Verlängerungen unsere Arme und Hände und ermöglichen die Formung der Objekte. Wenn dann schöne Exemplare dabei entstehen, dann kann man auf viele Geschichten mit den Werkzeugen zurückschauen und davon erzählen. Ich denke, dass nicht jeder diese Zwiesprache mit dem Werkzeug erlebt, aber für die, die es können sind es dann nicht nur Werkzeuge. Daher verleihe ich meine treuen Weggefährten nie und es kommen immer neue dazu.

    Dein neuer Hobel sieht ja sehr ungewöhnlich aus und hat das Flair einer Antiquität. Gefällt mir sehr gut, aber der Marples, der würde es mir auch antun. Sind die funktionstüchtig, oder warten die noch auf ihre Wiederbelebung?

    Herzliche Grüße

    Uwe

    • Volker schreibt:

      Hallo Uwe,
      ja die beiden Hobel gefallen mir wirklich auch sehr gut und sie waren in meinen Augen auch ein Schnäppchen.
      Mit dem Wiederbeleben ist das so eine Sache. Der Cofin-Shaped Hobel aus England hat ein viel zu großes Hobelmaul. Der wird nie gute Späne erzeugen. Mit Gerd hatte ich deswegen auch schon Mailkontakt. Er hätte vorgeschlagen einstärkeres Messer einzusetzen (er hätte es mir natürlich auch gemacht) und so das Hobelmaul zu verkleinern. Auf diese Idee wäre ich vermutlich nie gekommen. Da aber das Messer nicht sauber auf dem hinteren Hobelkasten aufliegt und von der Messingsohle ca. 2 mm nach vorne geschoben wird, wäre das auch keine Lösung mit der in zufrieden wäre. Der Hobel steht auf meiner Fensterban und ich erfreue mich an dem Anbrlick. Er hat mich auf die Idee gebracht zu versuchen so einen Cofin-Shaped Hobel selbst zu bauen. Das Messer habe ich bei Gerd schon bestellt und er wird es in 3 Wochen fertig haben. Dann habe ich über die Weihnachtsfeiertage was zu tun.
      Den Marples Hobel würde man sicherlich wieder für den Gebrauch herichten können. Das Maul und das Hobelmesser ist gut. Der Eisenträger mit der Messereinstellschraube hält aber sicherlich nicht dem Vergleich zu einem Veritas oder LN- Hobel stand. Man kann aus einem alten Gaul kein Rennpferd machen – das trifft auch auf Werkzeug zu.
      Herzliche Grüße
      Volker

      • uwe.adler schreibt:

        Hallo Volker,

        ist die Eisenauflage im Hobelkasten plan und gerade? Dann wäre es möglich eine dünne Hartholzauflage einzuleimen, die die Differenz ausgleichen würde. So alte Werkzeuge zu reaktivieren ist wie alte Geschichten neu zu lesen.

        Herzliche Grüße

        Uwe

      • Volker schreibt:

        Hallo Uwe,
        ich bringe den Hobel im Mai mit zu unserem Kurs. Gerd soll ihn sich ansehen und dann schaun wir mal ob wir ihn reaktivieren können.
        Herzlichen Gruß
        Volker

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