Was tut man in der Werkstatt, wenn einem über die Feiertage die Teelichter ausgehen?
Inzwischen bin ich der Meinung, dass (gutes!) Holzwerken zu 30% aus Improvisieren besteht. Ob es bei den „Profis“ auch 30% sind, oder etwas weniger, weiß ich nicht, aber ich bin fest davon überzeugt, dass es auch in den namhaften Schreinerbetrieben nicht ohne geht. So richtig aufgefallen ist mir das, in meinem letzten Kurs bei Charles Beresford. Er war ständig damit beschäftigt, sich irgendwelche wilden Hilfskonstruktionen zu bauen, damit z.B. eine Bohrung präzise und sicher durchgeführt werden konnte, oder er hat sich für bestimmte Dinge eine Schablone erstellt. Schablonenbau hört sich simpel an. Zwischen einer Schablone und einer Schablone ist nur ein gravierender Unterschied. Baut man sie für den einmaligen Gebrauch oder baut man sie so, dass man eine hohe Wiederholgenauigkeit hat, z.B. mit entsprechenden Anschlägen. Für den Außenstehenden erscheint das alles logisch und eigentlich selbstverständlich. Aber das ist in meinen Augen genau die Erfahrung, die erst mit den Jahren kommt. Ein „Neuling“ geht her, zeichnet mit dem Meterstab und Bleistift an und sägt oder bohrt darauf los. Das Ergebnis wird schon passen, auch wenn das Bohrloch ausreißt und das Loch nicht wirklich rund ist, weil das Werkstück frei Hand schwierig zu halten war. Der mit Erfahrung macht sich vorher Gedanken… Wie kann ich das Werkstück sicher und fest fixieren? Leg ich ein Opferholz unter oder nicht? Muss ich die Bohrungen wiederholen können? Wie fixiere ich meinen Anschlag beim Ausstemmen oder wie spanne ich bestimmte Werkstücke für das Hobeln fest? Hobele ich zuerst und schneide das Brett danach auf die exakte Länge zu oder umgekehrt und muss mir dafür Gedanken machen, wie ich das Werkstück zum Hobeln noch festklemmen kann oder wie ich Ausrisse an den Kanten verhindere? Inzwischen bin ich der Überzeugung, dass man weniger Stress in der Werkstatt hat, wenn man sich rechtzeitig Gedanken macht und das Anfertigen einer Hilfskonstruktion oder einer Schablone auf keinen Fall fehlinvestierte Zeit ist. Du selbst hast schon beim Arbeiten ein wesentlich besseres Gefühl. Ich gehe sogar so weit, dass wenn man am Wochenende feststellt, man bekäme mit einer Schablone ein besseres Ergebnis und man hat gerade das Material für die Schablone nicht verfügbar… stell die Arbeit an dem Werkstück ein! Besorge dir in der Woche das notwendige Material und mach dann erst am kommenden Wochenende weiter! Auch wenn es ärgerlich ist. Mach keine Kompromisse in der Werkstatt. Ein Kompromiss ist und bleibt ein Kompromiss und damit für den ambitionierten Holzwerker kein 100%iges zufriedenstellendes Ergebnis. Das „Weitermachen wollen“ oder der Wunsch an einem bestimmten Tag unbedingt fertig zu werden, ist in der Werkstatt ein ganz schlechter Berater! Wenn ich mal zu diesen unfreiwilligen Kunstpausen gezwungen werde, greife ich mir ein paar Stechbeitel oder Hobelmesser und nutze die Zeit zum Schleifen. Das ist nie falsch investierte Zeit und lohnt sich letzten Endes immer.
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Hallo Volker,
– mal wieder – ein sehr schöner Beitrag. Danke dafür. Ich habe mich in vielen Punkten wiedergefunden.
Ich habe mir mittlerweile angewöhnt, auf „Signalwörter“ zu achten. Eines ist bei mir z. B. „das ist mir jetzt egal – das mach ich jetzt so“.
5 Minuten später ist es mir nicht mehr egal – und ich hab die doppelte & dreifache Arbeit…
Herzlich staubige Grüße
Tom